Süddeutsche Zeitung, 07.10.2010
Alt werden mit der Nachbarin
Alt werden mit der Nachbarin
Die Frage nach den Männern muss die Wirtschaftspsychologin im Ruhestand immer wieder beantworten. 'Wir haben es eben für Frauen gemacht, weil wir damit gute Erfahrungen gemacht haben.' Die Frauen lernen sich bei den monatlichen Treffen des Vereins an der Herzog-Wilhelm-Straße in der Münchner Altstadt kennen, der unter dem Dach des Diakonischen Werks angesiedelt ist und den Status der Gemeinnützigkeit hat. Gemäß der Satzung will er selbstbestimmtes Wohnen innerhalb einer sozialen Gemeinschaft verwirklichen. Vorreiter war die Wohngruppe in Pasing, die bereits seit 13 Jahren existiert. Die Frauen leben in einem Haus der evangelischen Landeskirche. Innerhalb dieses langen Zeitraums hat die Gruppe schon viel erlebt. Selbst bis zum Tod haben die Frauen eine Mitbewohnerin begleitet, die von einem ambulanten Pflegedienst betreut wurde. Doch auch in so einem Fall sei es 'wichtig, dass noch jemand danebensteht und schaut, oder mal aus der Zeitung vorliest oder ein besonderes Frühstück bereitet'. Zwischen den Frauen der Wohngemeinschaften gebe es ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl. 'Es ist praktisch so eine Art Familienersatz.'
Doch so eine Gruppe auszuwählen, ist offenbar auch für eine Psychologin schwierig. Lippmann erinnert sich, wie sie mit der zweiten Gruppe den Ackermannbogen besichtigte und helle Empörung erntete. 'Sie haben wirklich nur gemeckert und gesagt, dass die Wohnungen nur Mist sind. Darüber ist die Gruppe geplatzt.' Und die Vereinsvorsitzende musste auf die Schnelle Ersatz suchen, weil schon alles in die Wege geleitet worden war. Was schwer genug gewesen war, denn in München aufgeschlossene Bauträger zu finden, die bereit sind, an acht ältere Damen zu vermieten, war anfangs nicht so leicht. 'Manche Geschäftsführer sind noch so jung, sie verstehen gar nicht, worum es geht.' Da gebe es offensichtlich Vorurteile gegenüber Gruppen von älteren Damen, was die Psychologin und Vereinsvorsitzende nicht ganz nachvollziehen kann: 'Ältere Menschen sind ideale Mieter. Sie haben eine sichere Rente. Das muss noch viel mehr publik gemacht werden.'
Am Ackermannbogen jedoch fand die Vereinsvorsitzende einen Geschäftsführer, der mitzog. Von Anfang an wurden die Frauen in die Planung mit einbezogen. Badezimmertüren wurden teilweise durch Schiebetüren ersetzt, die Türstöcke sind extra breit und eine bodengleiche Dusche hätten die Frauen auch haben können - aber sie bevorzugten Badewannen. Ein Lift ist selbstverständlich auch im Haus. Jede der Frauen hat einen völlig autonomen Mietvertrag abgeschlossen, der nichts mit dem Verein zu tun hat. Allen gemeinsam ist die Belastung für den Gemeinschaftsraum mit Küchenzeile und Bad im Erdgeschoss, den die Gruppe dank einer Stiftung kaufen konnte. 20 Euro Nebenkosten sind es pro Monat, für die meisten Frauen eine große Belastung. Deswegen werde der Raum, in dem sonst Feiern oder Treffen der Frauen beispielsweise zum Kartenspielen stattfinden, inzwischen auch an andere vermietet.
- Es hätte eine Wohngruppe mit Mann werden können, aber letztlich waren die Mitglieder des Vereins 'Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter' dagegen, die Satzung zu ändern. 'Er war immer sehr dominant', begründet die Vorsitzende des Vereins, Christa Lippmann, die Ablehnung. 'Er hat gesprochen und die Frauen blieben stumm. Das war das alte Kommunikationsspiel.' Also blieb es bei acht Frauen, die in ihre eigenen Wohnungen am Ackermannbogen zogen mit dem Ziel, sich gegenseitig zu helfen, im Krankheitsfall für die andere zu sorgen und auch mal gemeinsam etwas zu unternehmen. Es ist bereits die zweite Wohngruppe des Vereins.Die Frage nach den Männern muss die Wirtschaftspsychologin im Ruhestand immer wieder beantworten. 'Wir haben es eben für Frauen gemacht, weil wir damit gute Erfahrungen gemacht haben.' Die Frauen lernen sich bei den monatlichen Treffen des Vereins an der Herzog-Wilhelm-Straße in der Münchner Altstadt kennen, der unter dem Dach des Diakonischen Werks angesiedelt ist und den Status der Gemeinnützigkeit hat. Gemäß der Satzung will er selbstbestimmtes Wohnen innerhalb einer sozialen Gemeinschaft verwirklichen. Vorreiter war die Wohngruppe in Pasing, die bereits seit 13 Jahren existiert. Die Frauen leben in einem Haus der evangelischen Landeskirche. Innerhalb dieses langen Zeitraums hat die Gruppe schon viel erlebt. Selbst bis zum Tod haben die Frauen eine Mitbewohnerin begleitet, die von einem ambulanten Pflegedienst betreut wurde. Doch auch in so einem Fall sei es 'wichtig, dass noch jemand danebensteht und schaut, oder mal aus der Zeitung vorliest oder ein besonderes Frühstück bereitet'. Zwischen den Frauen der Wohngemeinschaften gebe es ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl. 'Es ist praktisch so eine Art Familienersatz.'
Doch so eine Gruppe auszuwählen, ist offenbar auch für eine Psychologin schwierig. Lippmann erinnert sich, wie sie mit der zweiten Gruppe den Ackermannbogen besichtigte und helle Empörung erntete. 'Sie haben wirklich nur gemeckert und gesagt, dass die Wohnungen nur Mist sind. Darüber ist die Gruppe geplatzt.' Und die Vereinsvorsitzende musste auf die Schnelle Ersatz suchen, weil schon alles in die Wege geleitet worden war. Was schwer genug gewesen war, denn in München aufgeschlossene Bauträger zu finden, die bereit sind, an acht ältere Damen zu vermieten, war anfangs nicht so leicht. 'Manche Geschäftsführer sind noch so jung, sie verstehen gar nicht, worum es geht.' Da gebe es offensichtlich Vorurteile gegenüber Gruppen von älteren Damen, was die Psychologin und Vereinsvorsitzende nicht ganz nachvollziehen kann: 'Ältere Menschen sind ideale Mieter. Sie haben eine sichere Rente. Das muss noch viel mehr publik gemacht werden.'
Am Ackermannbogen jedoch fand die Vereinsvorsitzende einen Geschäftsführer, der mitzog. Von Anfang an wurden die Frauen in die Planung mit einbezogen. Badezimmertüren wurden teilweise durch Schiebetüren ersetzt, die Türstöcke sind extra breit und eine bodengleiche Dusche hätten die Frauen auch haben können - aber sie bevorzugten Badewannen. Ein Lift ist selbstverständlich auch im Haus. Jede der Frauen hat einen völlig autonomen Mietvertrag abgeschlossen, der nichts mit dem Verein zu tun hat. Allen gemeinsam ist die Belastung für den Gemeinschaftsraum mit Küchenzeile und Bad im Erdgeschoss, den die Gruppe dank einer Stiftung kaufen konnte. 20 Euro Nebenkosten sind es pro Monat, für die meisten Frauen eine große Belastung. Deswegen werde der Raum, in dem sonst Feiern oder Treffen der Frauen beispielsweise zum Kartenspielen stattfinden, inzwischen auch an andere vermietet.
Frauen vom Verein "Nachbarschaftlich leben im Alter" besuchen schon im Rohbau die Baustelle am Ackermannbogen. Dort bezogen sie nicht nur eigene Wohnungen, sondern auch einen Gemeinschaftsraum.
Foto: privat
Foto: privat
Alle Wohnungen sind nach dem München-Modell vergeben, auch das war ein längerer Kampf, wie Lippmann berichtet, denn normalerweise sind diese geförderten Wohnungen für junge Familien gedacht. Die Miete ist nicht höher als 8,50 Euro pro Quadratmeter, außerdem hätten die Mieter 15, inzwischen sogar 25 Jahre Kündigungsschutz. 'Das ist für unsere alten Damen wunderbar', freut sich die Vereinsvorsitzende.
In ihrer Powerpoint-Präsentation zeigt Christa Lippmann gerne auch Bilder von den Frauen im Ackermannbogen. Von jeder weiß sie etwas Besonderes zu berichten. 'Sie sind alle noch sehr fit, was von manchen bedauert wird, weil sie so oft unterwegs sind und so wenig im Haus.' Angesprochen auf die Altersunterschiede von 63 bis 82 Jahren in der Gruppe antwortet Lippmann, es komme mehr auf die Chemie an, die stimmen müsse, als auf das Alter. Unabhängig davon müsse so eine Gruppe jedoch erst zusammenwachsen. Am Anfang habe es einige Reibereien gegeben. 'In der Jugend hat man mehr Toleranz.' Die Frauen müssten erstmal lernen, mit den anderen und vielleicht sogar divergierenden Meinungen klarzukommen. Momentan habe sie schon wieder fünf Interessentinnen für eine neue Wohngruppe, aber die Anzahl sei noch zu gering. 'Es müssen schon zwölf oder 14 sein, weil so viele wieder abspringen.' Immerhin habe sie inzwischen Kontakte zu Bauträgern und Erfahrung, wie alles organisiert wer
den müsse. Insofern könne sie relativ schnell eine neue Gruppe aufbauen, sagt Lippmann.
Den Männern zum Trost sei noch gesagt, der Mann, der in der Wohngemeinschaft mitmachen wollte, ist trotzdem an den Ackermannbogen gezogen. Er hilft bei kleinen Reparaturen, und umgekehrt passen die Frauen mal auf seine Katze auf, erzählt Lippmann. Er habe gesagt, 'er kann ja auch so ein guter Nachbar sein', selbst ohne Vereinszugehörigkeit.