Die glücklichen Acht
Wer also dazu stoßen will, der muss schon ein bisschen mehr auf sich nehmen: Die Mitgliedschaft im Verein ist obligatorisch, Interesse an dessen Kulturangebot wird vorausgesetzt. Ob Praxisbericht einer Altenpflegerin über Alzheimer oder ein 'Schnupperkurs am Computer' - ein 'gewisses Niveau', sagt Lippmann, dürften die Frauen schon mitbringen. Und ob jemand gruppentauglich ist, spielt natürlich auch eine Rolle. Bei der zweiten Wohngruppe, die 2007 an den Ackermannbogen zog, haben sich am Ende acht Frauen im Alter zwischen 62 und 82 Jahren gefunden, bei denen sowohl der Verein wie auch sie selbst das Gefühl hatten, dass es passt. Acht sei eine gute Zahl, sagt Lippmann. Da sei die Gruppe noch überschaubar und doch nicht so klein, dass es Gemauschel gibt.
Die Gründerinnen, die sich seit Jahren aus der evangelischen, feministisch geprägten Frauenarbeit kannten, haben eine Wohnform kreiert, die einen Mittelweg zwischen Nähe und Distanz ermöglichen soll - und zudem noch erschwinglich ist. Die Frauen haben die Wohnung gemietet, die Gruppe verfügt zudem über einen vom Verein erworbenen Gemeinschaftsraum für Besprechungen oder Feste. Die Bewohnerinnen sichern einander zu, sich zu helfen, wenn eine krank oder unpässlich ist. In der Pasinger Gruppe habe sich über die Jahre gezeigt, dass diese Zusage eingehalten werde, sagt Lippmann. Eine der Frauen dort ist inzwischen beinahe blind, die anderen gehen für sie einkaufen.
Die Frauen am Ackermannbogen sind alle noch so fit, dass sie sich selbst versorgen können. Und doch gab es auch hier schon Situationen, in denen sie dieses Achtsam-Sein erproben konnten. Feodora Riotte etwa hatte sich einmal nach einer durchwachten Nacht morgens noch einmal ins Bett gelegt. Die Nachbarinnen aber machten sich Sorgen, als ihnen auffiel, dass die Rollos noch immer geschlossen waren, und kamen mit dem Ersatzschlüssel in die Wohnung. 'Das war schon komisch, als ich aufwachte und die beiden im Schlafzimmer standen', erinnert sich Riotte. Und auch den anderen war es in dem Moment wohl etwas unangenehm. Am Ende aber waren alle drei erleichtert. Auch dazu müsse man eben bereit sein bei diesem Wohn-Wagnis, sagt Lippmann: Hilfe zuzulassen.
Foto: Catherina Hess
Hilfe bekamen die Gründerinnen auch bei der Umsetzung ihrer Idee. Nach zwölf aufreibenden Jahren der Suche stellte das evangelische Siedlungswerk den Frauen in Pasing einen Neubau zur Verfügung; er wurde die Heimat von 'Wohngruppe I'.
Für die zweite Wohngruppe fand der Verein in den Bauträgern CFS und Bouwfonds Partner; die Wohnungen konnten nach dem München Modell bezuschusst werden. Zuvor hatten einige Bauherrn abgewunken, einer sogar mit der Begründung, er fürchte übelriechende Korridore.
Lippmann kann dieses Zögern nicht verstehen; ihre Frauen seien doch 'die optimalen Mieterinnen', sagt sie. Ordentlich seien sie, und die Miete komme stets pünktlich, die Frauen bekommen ja Rente. Wenn auch meist weniger als Männer in diesem Alter, weil sie nicht voll berufstätig waren oder wie Ingrid Küster Angehörige gepflegt haben. Küster, eine der acht Frauen vom Ackermannbogen, hatte zehn Jahre lang ihre Schwiegermutter und ihre eigene demente Mutter im Haus. 'Das wollte ich meinen Kindern nicht zumuten.' Also machte sie sich auf die Suche nach dem anderen Wohnen.
Auch Feodora Riotte hat aktiv gesucht; den Flyer des Frauennetzwerks entdeckte sie an der Infotheke des Rathauses. Aus ihrem Schwabinger Altbau auszuziehen, sei ihr nicht leicht gefallen, sagt Riotte. Das Klavier, die vertrauten Nachbarn, das pulsierende Stadtviertel hat sie zurückgelassen. Aber ihr sei klar gewesen, dass 'es so nicht weitergehen kann'. Die Treppen im Altbau bereiteten ihr Schmerzen, jetzt reicht der Fahrstuhl bis zur Wohnung.
Und für den Fall, dass sie sich wieder mal tagsüber hinlegt, haben die Bewohnerinnen nun ein Zeichen vereinbart: Das Küchenrollo bleibt offen. So wissen die anderen Frauen, dass es ihr gut geht.
MONIKA
MAIER-ALBANG